Schweden – Kebnekaise. Gibt es eine Republik Svanamyran?
Auszug:
"Wenn ich auch von einer unwirklichen Kulisse umgeben bin – rot angemalte Steinmännchen aufgereiht wie eine Perlenschnur: Sind das heidnische Symbole, die mich dem Himmel entgegen leiten wollen? – so bin ich doch in einem protestantischen Land, und daher fehlt jegliches Gipfelkreuz auf Schwedens Dach. Vor mir die Firnschneide hinüber zum Nordgipfel. Gern wäre ich die 650 Meter Distanz in nordöstlicher Richtung hinübergegangen – hinübergehangelt, hinübergeturnt, balanciert wären die zutreffenderen Worte, es hätte unheimlichen Spaß gemacht – doch man hat mir geraten, der Übergang zum Nordgipfel sei selbst mit Steigeisen zu gefährlich auf dem Firnfirst, vor allem wenn ich allein und ungesichert sei.
Schlichte Risiko-/Nutzenabwägung. Das Risiko bestand darin, daß ich bei einem Ausrutscher rettungslos verloren gewesen wäre. Die Chance zu so einem Ausrutscher war nicht unbedeutend, der Schnee war weich und sulzig, also nichts Brauchbares. Der Nutzen war gemindert durch die Tatsache, daß der Nordgipfel nicht der höchste Punkt war, sondern nur so 'nebenbei' sich ganz gut in meiner Sammlung gemacht hätte.
Noch lebe ich vielleicht mit über 60 Jahren, weil ich immer in entscheidenden Momenten die Bremse gezogen, mich zusammengerissen habe und nicht meinemTrieb zum Wahnsinn erlegen bin. Möglicherweise ist es diese Fähigkeit, die mir schon mehrfach das Leben gerettet hat. Im unüberschaubaren Gebrodel meines Unbewußten, das ich von meinen Eltern geerbt habe und das meinen Gen-Mix ausmacht, hätte meine Mutter mir zugerufen: Geh! Mein Vater: Laß es bleiben. Zwischen den beiden Polen abwägen können, das mußte ich im Leben lernen, und hab's Gott sei Dank über-lebt. Schließlich habe ich nach kleinem inneren Kampf auf den Nordgipfel verzichtet."
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