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In der verlorenen Freien Stadt Danzig und der Kaschubei – ein Punkt bei Przywidz / Mariensee auf der Danziger Höhe und die Wiezyca
Punkt 271,4 ist ein Ameisenhaufen.
Auszug:
„Danzig verspricht ein schwieriges Projekt zu werden. Weder habe ich eine gescheite Karte, die die Grenzen der ehemals Freien Stadt genau genug zeigt, noch zeigen die armseligen Kärtchen, die ich zu Hause dem Internet entlocken konnte, zweifelsfrei an, wo exakt hier ein höchster Punkt sein soll. Dazu scheint der, auf den ich mich eingeschossen habe, keinen Namen zu tragen, und dazu wird vermutlich im alten Danzig keiner mehr deutsch sprechen. Wie soll ich mich da zurechtfinden und durchkämpfen?
'25 Kilometer südwestlich von Danzig an der von Danzig nach Karczma, nach Südwesten, führenden Straße; etwa zehn Kilometer südwestlich des Orts Kahlbude. Das ist auf jeden Fall noch gerade in den Grenzen des ehemaligen Freistaats. Auf jeden Fall ist in dieser Himmelsrichtung der höchste Berg zu suchen, etwa am Quellsee des Baches Kladau, Seitenbach der Mottlau, mit der er sich in der Weichselniederung vereint' – so hatte ich mir noch zu Hause notiert, nachdem ich meinen Schulatlas aus der Nachkriegszeit studiert hatte. Dort standen alle Ortsnamen noch in deutsch verzeichnet.
Aber das hilft alles nur wenig. Erst muß ich mal all die deutschen Namen in polnische übersetzen, damit ich mich später auf einer polnischen Landkarte zurechtfinde. Also heißt das wieder: einsteigen ins Internet.
Mit 'Karczma' war Nowa Karczma gemeint, zu deutsch Neukrug, so bis 1920 und 1939 – 1945. 'Es liegt 34 Kilometer südwestlich von Danzig und gehört dem Powiat KoÅ›cierski in der Woiwodschaft Pommern an' – so die Auskunft von Wikipedia. Kaschubischer Name: Nowô Karczma. Gut zu wissen: Gleich hinter der alten Grenze des Freistaats beginnt die Kaschubei, eine Landschaft in Polen mit einer Minderheit ohne Autonomierechte, so lerne ich oberflächlich. Gut zu wissen also: Dort brauche ich also keinen höchsten Berg suchen. Keine Autonomierechte bedeutet bei mir kein Berg.
Jetzt also wieder in die Landkarte geguckt. Wo finde ich Neukrug? Nichts zu finden. Also steige ich in eine polnische interaktive Landkarte der neueren Zeit ein, die ich auf http://mapa.szukacz.pl/ finde. Gibt es dort ein Nowa Karczma? Nein, auch wieder nicht, aber das bedeutet nichts. Im Internet hatte ich ja gefunden, daß Nowa Karczma Teil einer größeren Landgemeinde sei, einer 'gmina wiejska', und diese Landgemeinde umfaßte mehrere Ortschaften, darunter auch ein LubaÅ„. Dies nun wiederum finde ich auf der Karte: Es liegt etwa dort, wo die aus Danzig nach Südwesten führende Landstraße Nummer 221 endet.
Noch bin ich weit davon entfernt, 'meinen' höchsten Punkt des Freistaats Danzig gefunden zu haben. 'Kahlbude' muß ich finden, so schreibt es mir meine Notiz vor; das soll an eben dieser Straße liegen. Also wieder ins Internet eingestiegen: Wie heißt Kahlbude heute? Kolbudy, verrät mir der Suchdienst. Ich finde es am südwestlichen Ortsrand von GdaÅ„sk, wie Danzig heute auf polnisch heißt.
Aha, und von hier aus soll ich weiter der Straße entlang gehen, 'etwa zehn Kilometer südwestlich'. Nachdem ich jetzt also weiß, daß der Berg 25 Kilometer von Danzig entfernt liegen soll und zehn Kilometer von Kolbudy, dann weiß ich, daß Kolbudy 15 Kilometer vom Zentrum von Danzig entfernt liegt. Somit kann ich abschätzen, welcher Strecke auf der Karte zehn Kilometer entsprechen.
Ich lande bei einem Ort mit dem schön komplizierten Namen Przywidz. Der liegt nicht nur an der Straße 221, sondern verspricht auch noch das 'Zentrum' einer Reihe kleinerer Ortschaften zu sein, in deren Umkreis ich den höchsten Punkt zu suchen habe. In Przywidz wird man Bescheid wissen. Aber kann man in Przywidz auch deutsch? Ich versuche es mal: An einem März-Sonntag 2007 schreibe ich also die Gemeindeverwaltung von Przywidz an und erkläre mein seltsames Hobby, erkläre vor allem auch meine Unsicherheit: Ist der Punkt 270, den ich auf einem Atlas entdeckt habe, wirklich der höchste Punkt oder gibt es anderswo noch einen höheren?
Zu meiner Überraschung erhalte ich kaum eine Stunde danach schon eine Antwort. An einem Sonntag wird im Rathaus von Przywidz gearbeitet? Nicht zu fassen. Herr Marcin Sobczak schreibt, und dazu noch auf deutsch:
Von: Marcin Sobczak [mailto:informatyk@przywidz.pl] Gesendet: Sonntag, 18. März 2007 17:25 An: Wolfgang Schaub Betreff: Re: Highest point / Höchster Punkt
Hallo,
Ich bin nicht sicher, aber es sollte der hoechste Punkt der Freien Stadt Danzig sein. Ich werde es prüfen.
Grüße
Marcin Sobczak UrzÄ…d Gminy Przywidz
tel. kom.: + 48 509 111 038 email: informatyk@przywidz.pl
www.przywidz.pl |
Der Anker ist geworfen. Jetzt heißt es nicht lockerlassen. Also geht gleich eine weitere Frage nach Przywidz:
Schönen Dank, Herr Sobczak, vor allem für die so schnelle Reaktion, und das an einem Sonntag! Ich bin gespannt auf das Ergebnis.
Hat denn der Berg einen Namen?
Im Juni will ich bei Ihnen sein und ihn "besteigen".
Viele Grüße,
Wolfgang Schaub |
Die Antwort läßt nicht lange auf sich warten:
Ich weiß nicht, ob der Berg eine Name hat, aber ich werde das auch prüfen. Przywidz ist wirklich schönes Ort und ich glaube, dass Sie den Besuch nicht bedauern werden. :)
Grüße
Marcin Sobczak UrzÄ…d Gminy Przywidz
tel. kom.: + 48 509 111 038 email: informatyk@przywidz.pl
www.przywidz.pl |
Was der für eine Vorstellung hat! Mir ist es so was von egal, wie schön Przywidz ist, Hauptsache ich komme eindeutig auf den höchsten Punkt. Nicht einmal weiß ich bis dahin, wie Przywidz damals auf deutsch hieß, schnell nachschauen muß ich: Mariensee.“
Schönheiten auf dem höchsten Punkt der Freien Stadt Danzig
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