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Bulgarien – Musala


Musala, das Dach des Balkan


Auszüge:






"18 Uhr 10 ist es, als ich am Ende meiner Kräfte ankomme. Ich werfe meinen Rucksack hin an einer Wasserstelle in der Senke zwischen dem Kovach und Punkt 2358. Die Hütte will ich gar nicht mehr erreichen: Sie läge 170 Meter tiefer, östlich des Kamms. Wozu 170 Meter absteigen und am nächsten Morgen wieder hinauf, wenn ich hier alles habe, was ich brauche? Wasser, eine weiche Grasunterlage, stabiles Wetter? Allerdings auch Schnaken.

Um der Plage zu entgehen, ziehe ich trotz des warmen Wetters Handschuhe und Mütze an und schlüpfe schon in meinen Schlafsack. Zerstochen bin ich schon, aber jetzt folgt wenigstens nichts Schlimmeres nach. Die Sonne geht hinter den Wolken unter und wirft einen Strahlenfächer über den Beli-Iskar-Stausee nordwestlich von mir im Tal. Die Wolken verheißen nichts Gutes für die Nacht, aber vielleicht sind sie ja nur die spätnachmittäglichen, durchaus üblichen Kumuli, die keinen Wettersturz einleiten und sich bis morgen früh aufgelöst haben werden? Mal sehen.

Um 19 Uhr habe ich schon mein kärgliches Abendessen reingestopft: trockenes Brot mit Wasser. Jetzt schon schlafen? Warum nicht? Die Schnaken geben keine Ruhe, da wird es das Beste sein, wenn ich meine eingebaute Bewußtlosigkeit aktiviere und so die summenden Angriffe einfach gar nicht mehr wahrnehme."











"Wahre Einsamkeit spüre ich, wenn ich mich zwischen Himmel und Erde vollkommen allein und verloren fühle. Nicht nur muß ich allein auf Bergen unterwegs sein, sondern es muß dazu die absolute Entbundenheit kommen, die ich spüre, wenn ich allein unter Sternen auf einer Hochfläche die Nacht verbringe. Wenn ich nachts hochschrecke, weil mir der volle Mond wie ein Scheinwerfer ins Gesicht strahlt, seltsame Schatten im Gelände werfend, jedes einzelne Steinchen einen einzelnen Schatten. Dann stehe ich im Weltraum. Über mir huschen Sternschnuppen, funkeln kalt Fixsterne. Ich stehe schon fast außerhalb der Atmosphäre und sicher außerhalb bewohnbarer Zonen. Ich fühle meine Nichtigkeit angesichts des unendlichen Weltalls über mir.

Diese einsamen Wanderungen müssen sein, um mein geschäftiges Leben in den Städten, in den Niederungen, den Firmen, den Büros, erträglich zu machen. Um dem Leben in der Normalität den bitteren Beigeschmack der Nutzlosigkeit anzuheften. Um die geschäftigen Geschäfte ins Sinnlose zu kehren. Um den Blick zu schärfen. Wieviel Einsamkeit ist dazu nötig? Um Geist zu erwerben? Um ins Innere zu blicken? Aufs Wesentliche?

In der Einsamkeit erreiche ich ekstatische Vertiefung, welche den oberflächlichen Schleier zerfasert und mir den Zugang zum inneren Kern der Welt erleichtert. Ich liege in meinem Schlafsack und falte darin die Hände über dem Bauch. Die gefalteten Hände presse ich fest aneinander. Ich schließe die Augen, lasse die farbigen Lichtschimmer hinter meinen Augenlidern nach der Seite hin weggleiten, bis alles in mir dunkel ist. Dann bin ich ein unbedeutendes Staubkorn. Allein. Für mich. Getrennt vom Rest."






Auf dem Gipfel ein seltsamer Altar





"Ich werde durch ein seltsam ratschendes Geräusch und Schmatzen geweckt, recke meine müden Glieder im Schlafsack und reibe mir verwundert die Augen: In der glockenhellen Morgensonne stehen grasende Pferde um mich herum und knabbern an meinem Schlafsack. Wolken von Daunenfedern haben sie schon über das Gelände verteilt. An meinem linken Fuß hat der Schlafsack ein großes Loch. Er scheint den Herrschaften gut geschmeckt zu haben.

Ich verscheuche die Pferde und krieche aus meinem Gefängnis heraus. Der Schlafsack ist nicht mehr zu retten. Auch die ersten Schnaken fliegen schon wieder und summen bedrohlich. Mein Frühstück verzehre ich in Panik. Nichts wie weg hier!

Aber: Alle Wolken sind verschwunden. Tau ist gefallen. Es verspricht einen herrlichen Tag zu geben, sonnig und unbeschwert. Was kümmern mich da Daunen, Löcher und Schnaken!"
 






Auf einer bulgarischen Dorfstraße




Rilakloster



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