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Europäische Türkei – Büyük Mahya Dagi




Schwere Feldarbeit im Angesicht des Büyük Mahya
Dagi



Auszüge:

 "Ich beschließe, hier oben am Waldrand zu den Rufen des Kuckucks mein Nachtlager aufzuschlagen, direkt neben der so gut wie unbefahrenen Holperstraße, mit Blick nach Osten auf die Hügel des Istrandscha-Gebirges. In der Ferne, ganz weit im Dunst, erkenne ich mein türkisches Ziel, den Büyük Mahya. Ich habe meine Übernachtungsstelle gut gewählt, aber gerade bereite ich mein Abendessen – Sardinen, Radieschen, saure Gurken, Brot und Bier – und bin in mein Kauen vertieft, da gesellt sich ein tiefbrauner, taubstummer Holzfäller zu mir, sein Beruf zu erkennen an dem Beil und dem Seil, das er mit sich führt. Mit Gesten entschuldigt er sich, daß er nicht hören kann. Er will mit verköstigt werden. Kein Problem. Er erhält alles, was er will. Doch er ist nicht damit zufrieden. Mit einem Handzeichen gibt er mir zu verstehen, daß er auch noch Geld für Zigaretten braucht. Da muß er ein bißchen warten und erst nachdrücklicher werden. Vier Lewa auf die Hand – reicht das? Er ist's zufrieden und trollt sich in den Abend."

Besprechung mit dem Dorfältesten im örtlichen Wirtshaus: Wo geht ein Weg hinauf?

 

"Ein gewisser Osman im Dorf wisse Bescheid, vermitteln sie mir noch; der könne deutsch. Also fahre ich ein paar hundert Meter weiter in die Dorfmitte und stelle mich mitten auf den Platz mit meinem Auto hin. Dieselbe Situation: Erst mal spricht niemand deutsch. Aber plötzlich kommt aus dem Hintergrund ein Alter mit Stock die Dorfstraße herunter und zeigt mir mit souverän erhobener Stimme, daß er 'deutsch' spricht, jedenfalls so viel, daß wir mühsam radebrechen können. Er stellt sich als Nuretin Yalçinkaya vor und hat in den 1970er Jahren sechs Jahre lang als Waldarbeiter in Hamburg, Kassel, Göttingen und Mannheim gearbeitet. 'Alles gut Deutschland'.

Ich erläutere ihm kunstvoll mein 'Problem'. Seine Erläuterung verstehe ich nicht richtig. Da lädt er mich ins Teehaus nebenan ein, dort könne man alles besprechen. Türkische Gastfreundschaft. Probleme zwischen Männern bespricht man nicht auf der offenen Straße, sondern man geht ins Teehaus. Die ganze Gaststube finde ich voll mit würdigen Herren, ein Kanonenofen in der Mitte des Raums. An der Wand Atatürks Bild und einer seiner Redetexte. Eine Servierfrau bringt Tee und Plätzchen, verschwindet dann aber sofort aus unseren Blicken. Frauen haben im Teehaus nichts verloren, außer daß sie servieren dürfen.

Ich zeichne meine Lageskizze zum dritten Mal an diesem Tag. Ich verstehe immer noch nicht, was die Herren Sachverständigen mir raten. Erst als ich in die Skizze noch den Jandarma kule eintrage, wird es klarer, was ich tun soll: die sieben Kilometer zur Straße wieder zurück, die fünf Kilometer hoch zum Paß Jandatma kule, dann drei Kilometer hinunter Richtung Yenice, dort würde ich auf einen großen Brunnen stoßen – 'großes Wasser', wie die Herren sich ausdrücken. An dem Brunnen solle ich mein Auto abstellen und auf das Schild 'Mahya Dagi Antenne' achten. Der Rest zum Gipfel sei dann zu Fuß zu machen.

Eine zweite Tasse Tee wird mir aufgenötigt. Noch mehr Plätzchen. Dann, als alles umfänglich klargestellt ist und alle Höflichkeiten ausgetauscht sind, werde ich hinaus zu meinem Auto geleitet. Nuretin zeigt mir noch sein Haus. Dann holt er sein Auto, damit ich ihm folgen kann. Hinter ihm fahre ich bis an den Rand von Balaban, dort setzt er mich auf die richtige Spur. 'Du mein Freund, ich dein Freund, Du zu Hause hier, ich zu Hause bei dir' oder so ähnlich lautet die Abschiedsformel.


 

Noch Europa?

 

"Im ersten Ort nach der Grenze, Dereköy, 'Bachdorf' herrscht sichtbar der Islam. Stolz reckt sich das Bleistift-Minarett der Moschee in den Morgenhimmel, inmitten ärmlicher Hütten und Bretterverschlägen. Am Ufer des Baches Deresı – der Bach heißt einfach 'Bach', wenn man den Namen übersetzt – das Dorf-Klo mit unterschiedlichen Eingängen: Die 'Bayan' gehen links hinein – Frauen, die 'Bay' rechts – Herren.


 

Heilwasser

"Was du mit deiner Hand gibst, wird dir einst selbst vergolten. Aus Nächstenliebe von Hadschi Mehmet, Hadschi Zeynep und Erkan Demirol 1994 gestiftet. Fatiha"

Fatiha heißt die Eingangs-Sure zum Koran. Steht man vor dem Brunnen und liest die Namen der Stifter mit Fatiha, so ist es, als würde man für sie beten.


 

Büyük Mahya Dagi von ferne


"Bei Kilometer 11 habe ich den Gipfel erreicht, zuletzt in einer Schleife um die Gipfelkappe um die umzäunte Radarstation herum. Doch dann versperrt ein Stopschild 'DUR' = Halt! den Weg. Oben, innerhalb des Zauns, laufen plötzlich Soldaten aufgeregt herum; das sieht nicht gut aus. Mit Militär in der Türkei ist nicht zu spaßen.

Ich versuche, hinter der Radarstation zu dem Funkmasten zu gelangen, der etwas niedriger steht, aber da wird der Weg schmal, und ich beschließe lieber zu wenden, bevor ich in eine Falle gerate und mein Auto nicht mehr bewegen kann. Da kommen die ersten Soldaten auch schon auf mich zu. Einer kann Englisch. Ich erkläre, ich sei nur ein einfacher Tourist aus Deutschland, interessiert an hohen Bergen. Mir wird erklärt, das hier sei Militär und ich habe zu verschwinden. Wir 'erklären' uns gegenseitig, ohne uns richtig zu verstehen.

Man geleitet mich mit sanftem Nachdruck wieder an das Tor mit der 'DUR'-Aufschrift, da kommt von oben auch schon der Sergeant, der etwas zu sagen hat. Jetzt stehen fünf Uniformierte, Bewaffnete um mich herum. Einer notiert mein Auto-Kennzeichen und will meinen Paß sehen. Ich erkläre, ich wolle nur auf den wahren Gipfel, nur oben gewesen sein; das würde mein Hobby so verlangen und ich würde es ernst meinen. Der Sergeant erklärt, ein Paß sei nicht genug, um auf den echten Gipfel zu kommen. Dazu bräuchte ich eine Spezialerlaubnis. Er würde mich zwar verstehen und empfinde auch Sympathie für meine Idee, wolle ja auch gastfreundlich sein, aber leider … leider habe er Vorgesetzte und Regeln, an die er sich zu halten habe.

Ich verspreche brav zu sein und umzukehren. Nicht einmal ein Bild der Radarstation aus der Nähe wird mir gestattet. In die entgegengesetzte Richtung könne ich gern ein Gipfelbild schießen, wenn aber, dann nur vom Gipfel weg; um Gottes willen nicht mit den Anlagen auf dem Gipfel! Unlustig füge ich mich den Anordnungen und nehme ein völlig überflüssiges Bild auf, vom Gipfel hinunter ins hügelige Vorland, völlig uninteressant."


 

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